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19. September 2023

Offener Brief zur aktuellen Revision der Jagdverordnung (JSV)

Politik Wildtiere

Zur Kenntnis an:
BAFU, Gesamt-Bundesrat, Medien, Umwelt- und Bauernverbände

Sehr geehrter Herr Bundesrat Rösti

Im Namen der 26 unterzeichnenden Tierschutzorganisationen wenden wir uns mit diesem offenen Brief direkt an Sie als höchsten Verantwortlichen. Mit Bestürzung haben wir von den Plänen des BAFU erfahren, die Jagdverordnung sehr kurzfristig zu ändern und den Schutz des Wolfes massiv zu lockern. Gemäss dem vorliegenden Entwurf könnten in den nächsten zwei Jahren bis zu 70% der Wölfe abgeschossen werden, bevor 2025 die definitive Verordnung in Kraft tritt. Das ist zunächst inhaltlich höchst fragwürdig. Die jetzige Gesetzgebung ermöglicht bereits eine weitgehende Regulation von Einzeltieren und Rudeln, da wo sie nötig ist. Auch zeigen die diesjährigen Zahlen aus den Kantonen Graubünden und Wallis, dass der Herdenschutz wirkt, sofern er konsequent und korrekt umgesetzt wird. Hier findet ein echter Fortschritt statt, der durch die geplante Revision der JSV unterlaufen würde.

Der Vorschlag des BAFU, die Wolfspopulation drastisch zu dezimieren und ganze, unauffällige Rudel präventiv zu schiessen, missachtet zudem die bei der Ausarbeitung des JSG gemachten Zusicherungen: So sollte der Wolf auch lokal nicht ausgerottet und der zumutbare Herdenschutz vor jeder präventiven Regulierung flächig umgesetzt werden. In der aktuellen Form verstösst der Verordnungsentwurf zusätzlich gegen die Berner Konvention und nicht zuletzt gegen den Willen des Parlaments und des Volkes, das sich 2020 an der Urne für den Schutz des Wolfes ausgesprochen hat und einen zeitgemässen Umgang mit Grossraubtieren erwartet.

Stossend und rechtlich sehr fragwürdig ist zudem der Entscheid des BAFU, vorerst auf eine ordentliche Vernehmlassung zu verzichten. Eine Ausnahme im Sinne von Art. 3a des Vernehmlassungsgesetzes, wie sie das BAFU geltend macht, liegt nicht vor. Zu gross sind die Unterschiede des aktuellen Verordnungsentwurfs gegenüber den 2020 im Rahmen der Änderung des JSG erarbeiteten Ausführungsbestimmungen zur präventiven Wolfsregulierung. Die Strategie hat diametral geändert. So kann nicht mehr von einer Wolfsregulierung gesprochen werden, sondern eine Wolfsdezimierung ist das klar definierte Ziel.

Das BAFU hat neben den Bauernverbänden SBV und SAB sowie Jagd Schweiz ausschliesslich die drei grossen Umweltorganisationen WWF, Birdlife und Pro Natura Schweiz sowie die Gruppe Wolf Schweiz zu einer – extrem kurzfristigen – Stellungnahme eingeladen. Doch den vielen Tierschutzorganisationen, die sich im Rahmen der Abstimmung stark engagierten und sich für einen gemässigten, wildbiologisch sinnvollen Umgang mit dem Wolf einsetzten, wurde der Verordnungsentwurf vorenthalten. Dass das BAFU diesen Weg wählt, lässt vermuten, dass hier demokratische Mechanismen ausgehebelt werden sollen, um einseitige Interessen möglichst rasch und ungestört durchzusetzen. Ein Vorgehen, das die sowieso emotional stark aufgeheizte Debatte um den Wolf weiter befeuert.

Die unterzeichnenden 26 Organisationen erwarten von Ihnen, Herr Bundesrat Rösti, dass Sie vom BAFU einen neuen Entwurf der Jagdverordnung erarbeiten lassen, der die Vorgaben des JSG umsetzt, so wie sie uns Tierschutz- und Umweltorganisation 2020 zugesichert wurden, und dass Sie diese neue Vorlage durch eine ordentliche Vernehmlassung einer kritischen Diskussion zugänglich machen. Letztlich untersteht jedes Bundesratsmitglied dem Volkswillen und auch der Gesamt-Bundesrat muss sich als oberstes Organ an die demokratischen Spielregeln halten. Das BAFU trägt seinerseits die Verantwortung dafür, dass die Ergebnisse der Volksabstimmung in die neue Jagdverordnung einfliessen und eine ausgewogene Vorlage entsteht, welche die Aspekte von Artenschutz, Tierschutz und Biodiversität ebenso berücksichtigt wie die Anliegen der Bergkantone.

Wir bitten Sie um Kenntnisnahme unseres Anliegens und hoffen auf einen positiven Bescheid – vielen Dank!

Freundliche Grüsse

Zürcher Tierschutz
Nadja Brodmann, Co-Geschäftsleiterin

Stiftung für das Tier im Recht (TIR)
Christine Künzli, Mitglied Geschäftsleitung

Schweizer Tierschutz STS
Dr. Samuel Furrer, Geschäftsführer Fachbereich

Mitunterzeichnende 23 Organisationen

  • Aargauischer Tierschutzverein ATs
  • AGSTG - Aktionsgemeinschaft Schweizer Tierversuchsgegner
  • Animalfree Research
  • Animal Rights Switzerland
  • Animal Trust
  • ATRA (Schweizer Vereinigung für die Abschaffung der Tierversuche)
  • Berner Tierschutz
  • Campax
  • Club der Rattenfreunde CH
  • Fondation Chats des Rues
  • Fondation Miaou & Co Mouvement Interactif pour les Animaux Oubliés
  • L'assaciation Defend the Wolf
  • LSCV (Schweizer Liga gegen Tierversuche und für die Rechte des Tieres)
  • Metibe Büro für Mensch-Tier-Beziehungen
  • Network for Animal Protection NetAP
  • Peta Schweiz
  • Pogona.ch
  • ProTier - Stiftung für Tierschutz und Ethik
  • Sentience - Politik für Tiere
  • Stiftung Tierbotschafter.ch
  • Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz
  • Tierpartei Schweiz TPS
  • Verein CHWOLF

Weitere Informationen

Rückfragen

Zürcher Tierschutz
(ZT)
Nadja Brodmann
E-Mail
044 261 43 36
Stiftung für das Tier im
Recht (TIR)
Christine Künzli
E-Mail
043 443 06 43
Schweizer Tierschutz
STS
Dr. Samuel Furrer
E-Mail
061 365 99 99

 

23 weitere Organisation unterstützen den Appell
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Der Abschuss von Problemwölfen ist längst erlaubt. Doch gemäss der neuen Jagdverordnung sollen künftig ganze Wolfsrudel präventiv ausgelöscht werden. © AdobeStock, slowmotiongli

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